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Missbrauchsdarstellungen - nur Bilder?

Der Konsum von «Kinderpornografie» wird viel zu oft verharmlost und als das «kleinere Übel» abgetan. Das gilt sowohl für Konsumenten dieser Missbrauchsdarstellungen als auch für ihre Angehörigen. Dabei ist es wichtig zu wissen, wie schädlich ein solcher Konsum ist, was dahintersteht und warum Beratung und Therapie auch bei diesen sogenannten «hands-off»–Delikten wichtig sind.

Artikeldetails

Sexuelle Handlungen mit Kindern und ihre Abbildungen sind immer mit Gewalt verbunden. Entweder kommen reale Kinder bei der Produktion zu Schaden und leiden noch als Erwachsene darunter, oder Gewalt an Kindern wird durch gezeichnete oder virtuelle Darstellungen verherrlicht und normalisiert. Deshalb ist nicht nur die Produktion eine Straftat, sondern auch der Konsum, der Besitz und die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs, oder was fälschlicherweise immer noch «Kinderpornografie» genannt wird. In der Schweiz fallen darunter neben Videos oder Fotos auch durch KI generierte Bilder und Zeichnungen, wie zum Beispiel sexualisierte Mangas oder Anime. Verboten sind auch Texte und Tondokumente, in denen Kinder sexualisiert oder in denen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen beschrieben oder inszeniert werden. Auch einmaliges, «zufälliges» Anschauen von Missbrauchsabbildungen ist bereits strafbar, ebenso das Verbreiten von eigenen Nacktbildern oder sexualisiertem Material durch Minderjährige selbst¹.

Zahlen steigen stark

Trotzdem hat sich der Konsum von Missbrauchsabbildungen (DSKM) in den letzten Jahren weltweit erhöht. Das National Centre for Missing & Exploited Children NCMEC verzeichnete im Jahr 2021 international 29’309’106 Verdachtsfälle des Konsums von DSKM (Besitz, Herstellung und Verbreitung), was eine 35 %-Zunahme im Vergleich zu 2020 darstellte². 2024 wurden NCMEC insgesamt 62’992’859 Dateien in Form von Videos (33’130’449), Bildern (28’004’236) und Anderem (1’858’174) gemeldet. In der Schweizer Kriminalstatistik werden Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht separat erfasst. Zahlen gibt es in der Rubrik Cyber-Sexualdelikte nur für Delikte betreffend verbotene Pornografie, Grooming, Sextortion und Live-Streaming. Hier zeigt sich eine Zunahme von 2612 im Jahr 2020 zu 2922 im Jahr 2024 erfassten Delikten, mit Schwankungen in den Jahren dazwischen, was einer Zunahme von rund 12% entspricht³.

Fachleute sehen einen Grund für den Anstieg des Konsums und der Verbreitung von DSKM in der immer einfacheren Zugänglichkeit über das Internet. Vor allem junge Männer berichten in unseren Beratungen, dass sie bereits mit elf, zwölf Jahren begannen, Pornos zu schauen, immer stärkere Reize suchten und schliesslich bei Missbrauchsdarstellungen landeten. Diese müssen nicht mehr gezielt im Darknet oder auf Pornoseiten gesucht werden, bereits auf den gängigen Social-Media-Plattformen wie Facebook, TikTok oder Instagram findet sich Material. Manche berichten, sie seien einfach neugierig gewesen, hätten dazugehören wollen, in Chat-Foren und Tauschgruppen «jemand sein» wollen⁴.

Laut einer Meta-Studie von Seto⁵ spielen diese Erklärungen durchaus eine Rolle, stellen aber nicht die eigentliche Motivation für den Konsum von Missbrauchsdarstellungen dar. Während bei anderen Formen von sexueller Gewalt gegen Kinder wie Online-Grooming, Sextortion oder auch Hands-on-Delikten nicht unbedingt eine pädophile Motivation im Vordergrund steht, liegt die Motivation für den Konsum von Missbrauchsdarstellungen laut den Untersuchungen von Seto primär im sexuellen Interesse an Kindern. Diese kann zudem verbunden sein mit einer starken Beschäftigung mit Sexualität, einem starken Drang, diese Sexualität auszuleben, und mit anderen Paraphilien (Interesse an Gewaltdarstellungen, Exhibitionismus, Sex mit Tieren usw.).

Zugang zu Bildern muss erschwert werden

Damit es dann aber nicht nur bei Neigung und Fantasien bleibt, sondern tatsächlich zum Konsum von DSKM kommt, braucht es begünstigende Faktoren. Diese sind in der Persönlichkeit (trait), im Zustand (state) und in der aktuellen Situation (situational factors) verortet. Zu den Persönlichkeitsfaktoren gehören ein tiefes Selbstwertgefühl (“ich bin sowieso nichts wert”), antisoziale Einstellungen (“Regeln gelten nicht für mich”) und abwertende Haltungen Frauen gegenüber (“Frauen sind herablassend, berechnend und arrogant, im Gegensatz zu Kindern”). Zu den Zustandsfaktoren gehören übermässiger Alkohol- oder Drogenkonsum, Lebenskrisen wie der Verlust der Arbeit oder nahestehender Menschen und soziale Isolation (oft bereits seit der Schulzeit). Zu den situationsabhängigen Faktoren schliesslich gehören sich bietende Gelegenheiten wie eben die leichte Verfügbarkeit von Missbrauchsdarstellungen im Internet⁶.

Für die Prävention bedeutet dies einerseits, Klienten den Zugang zu therapeutischen Angeboten zu erleichtern. Dies ist eine der Hauptaufgaben von Beforemore und Partnerorganisation DIS NO (Westschweiz). Inhalt einer Therapie ist es, sich mit seiner pädophilen oder hebephilen Neigung, also auf Kinder oder Jugendliche gerichtete sexuelle Interessen, auseinanderzusetzen. Das Ziel ist es, zu lernen, so mit diesen Neigungen umzugehen, dass niemand zu Schaden kommt. Die grössten, spezialisierten Therapiestellen bilden das Netzwerk „Kein Täter werden“. Zum anderen gilt es, auch die begünstigenden Faktoren stärker in der Prävention zu berücksichtigen und insbesondere den Zugang zu Missbrauchsdarstellungen grossflächig zu erschweren, bzw. möglichst zu verhindern⁷. Hier braucht es neben der Arbeit mit Menschen mit pädophilen Neigungen selbst, auch eine bessere Information von Angehörigen und Umfeld in Schule, Beruf und Freizeit sowie den politischen Willen, entsprechende Massnahmen einzuleiten.

Quellen:
1 Schweizer Strafgesetzbuch StGB Artikel 197

2 National Centre for Missing & Exploited Children, NCMEC; nach Lehman et al 2022, Konsum von Missbrauchsabbildungen: Prävalenz, Ätiologie, Fallpriorisierung und Prognose. Robert J. B. Lehmann, Kelly Babchishin, Alexander F. Schmidt. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2023) 17:73–82, 6

3 Schweizer Kriminalstatistik, Bundesamt für Statistik

4 Robert J. B. Lehmann, Kelly Babchishin, Alexander F. Schmidt, 2023, Konsum von Missbrauchsabbildungen: Prävalenz, Ätiologie, Fallpriorisierung und Prognose. in: Forens. Psychiatr Psychol Kriminol (2023) 17:73–82. Rebecca Reichel, Anton Daser, Frederic Gnielka, Alexander F. Schmidt, Arjan Blokland, Robert J. B. Lehmann, 2024, A Review of Risk Factors for Online and Mixed Child Sexual Abuse Material Offending:

5 Michael D. Seto, 2nd edition 2025, Online Sexual Offending. Theory, Practise, and Policy.

6 Motivation-Facilitation-Model, nach Seto 2025

7 Michael D. Seto, 2nd edition 2025, Online Sexual Offending. Theory, Practise, and Policy.
Beforemore bietet Beratung an für Menschen mit sexuellen Neigungen für Kinder. Hast du Bilder auf einem Computer eines Familienmitglieds gefunden? Wir beraten dich kostenlos und anonym per Chat, E-Mail, Telefon oder vor Ort. Nimm hier mit uns Kontakt auf. Mehr Infos auf www.beforemore.ch

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