Corona und die psychosozialen Folgen - Die Schweizerische Gesellschaft für Beratung (SGfB) lobbyiert für die Volksgesundheit

Seit Jahren kümmert sich die Schweizerische Gesellschaft für Beratung (SGfB) darum, dass das Berater*innen und Beratungsangebot in der Schweiz angemessene Qualitätsstandards erfüllt. Mit der Corona-Krise wird ein anderes Engagement jedoch immer wichtiger: Die Bemühungen darum, dass die Kosten psychosozialer Beratung von den Krankenkassen übernommen werden.

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Die Auswirkungen und konkreten Folgen der Corona-Krise sind wohl so unübersehbar wie auch unübersichtlich. Wenn aber, wie vielerorts geäussert, diese Pandemie ein Brennglas sei, eine Lupe also, dann ist damit gemeint, dass die psychosoziale Ausgangslage in unserer Gesellschaft in dieser Vergrösserung und aller Deutlichkeit zu Tage tritt. Die neueste Umfrage der Universität Basel zur psychischen Belastung in der zweiten Covid-19-Welle (www.coronastress.ch), publiziert am 17. Dezember 2020, hat ergeben, dass sich psychische Probleme bei Schweizerinnen und Schweizern im Vergleich zum Frühjahr praktisch verdoppelt haben. Der Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen betrug während des Lockdowns im April rund 9 Prozent und stieg im November auf 18 Prozent (1.5 Millionen). Immer häufiger werden also die Schäden benannt, die diese Krise, in diesem Bereich anrichtet. Neben den wirtschaftlichen Konsequenzen richtet sich das Augenmerk vermehrt auch auf die psychologischen Flurschäden: Überbelastung der Familien, Bildungsrückstände, häusliche Gewalt, aber auch die Wirkung, die diese Zeit auf die Kleinsten hat, diejenigen, die auf die Zukunft dieses Landes zählen will: Für ihre psychische und soziale Entwicklung tun sich besorgniserregende Defizite auf. Ein Jahrhundertereignis nicht nur diese Pandemie, sondern auch die psychosozialen Folgen?

Die SGfB wurde 2006 gegründet, um die vielfältigen Angebote unter einem Dach zu hüten. Dieses Dach sollte den Ratsuchenden als Anlaufstelle bei der Suche nach Berater:innen uns dienen, und gleichzeitig Gewähr für eine seriöse Qualitätssicherung dieses Angebotes bieten. Das ist überall dort besonders wichtig, wo es buchstäblich um «Leib und Leben» geht.

Als SGfB kennen wir die Bedürfnisse in der Gesellschaft nach Beratung und psychologischer Begleitung. Es ist unsere Aufgabe, uns um die Anerkennung dieser Berufsgruppe sowie um die Qualitätssicherung zu kümmern, das heisst, dass wir zertifizierte Weiterbildungen und auch den Abschluss als Eigenössisch anerkannte Berater:innen anbieten.

Der Bereich der Psychosoziologie gehört in den der Gesundheit, und so würde es naheliegen, dass die Kosten dieser Dienstleistungen durch die Krankenkassen mitgetragen würden. Und hier kommen wir an einen heiklen Punkt der Abgrenzung – denjenigen zwischen Psychotherapie und psychologischer oder psychosozialer Beratung. Die Dienstleistungen unterscheiden sich in Ausbildung und Tarifen.

In der Psychotherapie spricht man traditionell von Patient:innen, was darauf hinweist, dass diese geheilt werden sollen. Es handelt sich also um eine Problemlage, die als ‘krank’ oder ‘Störung’ betrachtet wird. Psychologische bzw. psychische Probleme der Patient:innen werden gemeinsam mit Therapeut:innen bearbeitet und Hilfestellungen zur Bewältigung bereitgestellt. Ziel ist eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens der Patient:innen. Eine Therapie wurde traditionell von Psychiater:innen vorgenommen, Ärzt:innen also, sodass die Zuständigkeit der Krankenkasse für die Kostenfolge nicht zu reden geben musste. Auch ist es möglich, dass Psychiater:innen einen Behandlungsauftrag an Therapeut:innen delegierte. Wesentlich ist eine der Behandlung vorausgehende medizinische Diagnose.

Im psychosozialen Bereich ist die Situation wesentlich uneindeutiger und unübersichtlicher, denn der Bezug zur Gesundheit wird nicht automatisch gemacht. Bei den Ratsuchenden handelt es sich um Personen, die psychologische Hilfestellung für ihre persönliche Problemlage erwarten. Sie heissen hier deshalb auch eher Klient:innen, und sie bezahlen die Dienstleistung in der Regel aus eigener Tasche.

Natürlich gibt es nicht erst mit Ausbruch der Coronapandemie Bedarf nach psychologischer Beratung, therapeutischer Begleitung, Unterstützung bei der Bewältigung schwieriger Lebensphasen und –situationen. Die psychologischen Belastungen sind für viele Menschen allerdings hoch und steigen für immer mehr Menschen je länger diese Zeit dauert. Inzwischen wird auch von politischer Seite wahrgenommen, dass die Folgeschäden dieser Zeit für die Menschen und die Gesellschaft als Ganzes noch lange erheblich sein werden.

Damit kommen wir aber auch zum Thema der Kosten bzw. Kostenübernahme von Leistungen, die im weitesten Sinn die Gesundheit betreffen. Die traditionelle Unterscheidung in «Kranke mit Störungen» und «Gesunde mit Problemen» ist nun aber kein Kriterium mehr, um den einen die Kosten für eine Therapie von den Krankenkassen erstatten zu lassen, während die anderen sich keine Hilfe holen, weil sie die Kosten nicht tragen können.

Deshalb sind auf politischer Bühne nun Bestrebungen im Gange, psychologische Therapien zur Grundversicherung zuzulassen. Wenn Sie dies lesen, wird die Abstimmung über die Verodnungsänderung zur Einführung des Anordnungsmodells im Bundesrat stattgefunden haben. Der Gesundheitsminister Alain Berset schlug in der Vernehmlassung vor, dass auch Hausärzt:innen Therapien verschreiben dürfen. Die bürgerlichen Kräfte wehren sich dagegen, weil dies für die Krankenversicherer Zusatzkosten von jährlich einer halben Millarde Franken bedeuten würde. Der Kassenverband Santésuisse, der diese Kostenrechnung aufgemacht hat, geht davon aus, dass mit der Kassenzulassung eine tarifliche Gleichstellung der Psycholog:innen mit den ärztlich ausgebildeten Psychotherpeut:innen erfolge, was einer Lohnerhöhung gleichkomme (das Inkrafttreten ist für 2022 vorgesehen).

Wer den Blick stets nur auf das Finanzielle richtet, verliert die Ganzheitlichkeit aus den Augen. Dazu kommt, dass das herkömmliche Verständ- nis, oder sollte man besser sagen «das Unverständnis», für psychische Nöte, die gesellschaftlichen Konsequenzen und damit schliesslich auch die dadurch anfallenden Kosten in einem markt- und wettbewerbsorientieren Modell ausgeblendet werden. In diesem Modell werden die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert. Den Preis bezahlt schliesslich die Gesellschaft als Ganzes.

Die Gesellschaft als Ganzes hat auch die SGfB im Blick, wenn sie sich mit aller Kraft dafür einsetzt, psychosoziale Beratung in den Katalog der Zu- satzversicherungen aufzunehmen. So könnten Klient:innen sich sozusagen privat für den psychosozialen Beratungsfall versichern. Das Brennglas Corona hat diese Forderung noch aktueller gemacht.

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